Wenn aktuell nicht gerade Covid-19 unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Politik bestimmen würde, dann wären es wohl nach wie vor die Themen “Nachhaltigkeit, Umweltschutz und der sorgfältige Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen”, die uns besonders beschäftigen würden. Natürlich auch dann, wenn es um Wein geht. Für viele Weinbauern stehen Umweltschutz und Nachhaltigkeit aber nicht erst seit Greta und den Zukunftsfreitagen im Fokus. Da Wein ein Naturprodukt ist, setzen sie sich schon seit einigen Jahren mit diesen Themen auseinander und versuchen, neue Strategien und Ideen zu finden, um immer noch bessere Weine zu kreieren und dabei die Natur im Fokus zu behalten. Wir wollen diesem Thema deshalb heute hier etwas Raum geben und mit Damien Michel von der Domaine Montlobre einen zu Wort kommen lassen, der schon viele Konzepte und Ideen in diese Richtung umgesetzt hat.
Nachhaltigkeit – mehr als Rohstoffschonung
Nachhaltigkeit, Umweltschutz und soziale Verantwortung – Vor Corona haben diese großen und bedeutsamen Zukunftsthemen viele Unternehmen, Privatmenschen und Organisationen beschäftigt. Und auch die Politik war schon – zwar nur in sehr kleinen Schritten – aber dennoch auf einem guten Weg. Auch wenn es nach einer Erfindung des 21. Jahrhundert klingt, ist das Prinzip der Nachhaltigkeit viel älter und geht bereits auf das Jahr 1713 zurück. In diesem Jahr hat es der kurfürstlich-sächsische Kammer- und Bergrat Hans Carl von Carlowitz schriftlich festgehalten. Wiederaufgenommen wurde der Begriff dann im 20. Jahrhundert vom deutschen Philosophen Konrad Ott, der ihn so versteht: “Regenerierbare lebende Ressourcen dürfen nur in dem Maß genutzt werden, wie Bestände natürlich nachwachsen.” Dieser Ansatz wurde vor allem zunächst auf die Forstwirtschaft angewendet, damit nur so viele Bäume geschlagen werden, wie immer wieder nachwachsen. Schließlich haben die Vereinten Nationen in den 1980er Jahren das Prinzip aufgenommen und um alle Bereiche, in denen es um Rohstoffe und Energievorräte der Welt geht, erweitert. Leider vergingen wieder viel zu viele Jahre, bis man aus diesem Prinzip gesellschaftspolitische Ziele entwickelte, festgehalten 2015 in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit “17 Zielen für nachhaltige Entwicklung”. Innerhalb der Länder der Vereinten Nationen haben sich schon viele Unternehmen und Institutionen diesen 17 Zielen verpflichtet. Die davon angestoßenen Projekte werden von der Wissenschaft und Forschung begleitet, was bisher schon zu zahlreichen erfolgreichen Kooperationen geführt hat. Die gesetzte Laufzeit von 15 Jahren zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene weltweit zeigt allerdings erneut, dass gut Ding oft Weile braucht und man kann nur hoffen, dass es noch nicht zu spät dafür ist.
Nachhaltiger Weinbau – Verantwortung für Natur und Mitarbeiter
Auch beim nachhaltigen Weinbau handelt es sich keineswegs um eine neumodische Erfindung gemäß des aktuellen Zeitgeistes. Manche Winzer haben bereits vor 20 Jahren und mehr begonnen, ihre Weingüter und Domaines auf nachhaltigen Weinbau umzustellen. Es handelt sich meist um Prozesse, die, einmal angestoßen, nie enden, weil man immer wieder Ideen und Vorstellungen hat, die man umsetzen will. Den meisten Winzern, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben, geht es dabei aber nicht zwingend darum, das Rad neu zu erfinden und alles neu zu machen. Viel mehr ist es das Ziel, das Bestehende mit Respekt zu behandeln und sich wieder auf seine Wurzeln zu besinnen. Rückkehr zum Ursprünglichen ist also angesagt. Das betrifft vor allem die Arbeit und das Zusammenspiel der Winzer und Önologen mit der Natur, aber auch so manchen Entstehungs-, Verarbeitungs- und Verpackungsprozess. Man beschreitet sozusagen einen nachhaltigen Weg vom Weinberg in den Keller über die Lieferung bis in den Verkauf. So verringert man im Weinberg zum Beispiel den Einsatz von Maschinen und setzt vermehrt auf Manpower. Pflanzenschutz läuft auf Naturbasis und für die so genannte Biodiversität bringt man wieder eine Vielzahl heimischer Pflanzensorten in die Weingärten, die eine ebenso artenreiche Fauna mit sich bringen. Im Keller bauen viele auf das nachhaltige Prinzip der Schwerkraft und auch hinsichtlich Verpackung und Auslieferung gibt es nachhaltige Ideen, die den CO2-Fussabruck reduzieren. Für manchen Winzer umfasst das Thema “Nachhaltigkeit” aber nicht nur Aspekte der Ressourcenschonung und des Umweltschutzes. Soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und vor allem den Mitarbeitern und Arbeitskollegen ist ein Leitgedanke, den bereits einige Winzer und Önologen umgesetzt haben. Einer davon ist ein langjähriger Gottardi-Wegbegleiter: Montlobres Kellermeister Damien Michel.
Über Qualitäten und nachhaltige Konzepte – Interview mit Damien Michel
Schon vor einigen Jahren hat der Besitzer der Domaine Montlobre seinem Kellermeister und Önologen Damien Michel mit auf den Weg gegeben: “Mache jeden Jahrgang zu einem noch genussvolleren Erlebnis und setze dich zugleich jedes Jahr mehr für eine bessere Welt ein.” Dieser Devise ist Damien seit seinen Anfängen bei Montlobre gefolgt, vor allem natürlich was den Wein anbelangt. Jeder Jahrgang wird vom Folgejahrgang übertroffen. Und selbst bei wenig optimalen klimatischen Bedingungen gelingt es dem Experten, vollendete Weine in die Flasche zu bringen. In den letzten Jahren hat man sich nun auch verstärkt dem Thema “Nachhaltigkeit” angenommen, wie und wo diese eine besondere Rolle spielt, erzählte Damien uns in einem Interview:
Red.: Bevor Covid-19 das bestimmende Thema unserer Gesellschaft und Politik war, waren wir auf einem guten Weg, Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu den Hauptthemen zu machen. Warum ist es Ihrer Meinung nach immer noch wichtig, darüber zu sprechen?
Damien Michel: Es war kurz vor der Blüte und wir waren gerade mit dem Beschnitt der Pflanzen beschäftig, als die Covid-19-Krise über uns hereingebrochen ist. Sie hat uns – wie natürlich viele andere auch – hart getroffen, aber unser Engagement für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung hat uns dabei geholfen, den Kopf über Wasser zu halten. Dank unserer engen Beziehung zu unseren Mitarbeitern und Partnern waren wir in der Lage, Risiken besser aufzufangen und unsere Produktion zu sichern. Meiner Meinung nach sollte sich jedes Weingut mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen. Denn uns hat dies massiv geholfen, diese Krise zu überstehen. Nachhaltigkeit ist eine Philosophie und eine Denkweise, jede Wahl entsprechend ihrer sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu treffen. Es geht darum, alles, was uns umgibt, positiv zu beeinflussen. Gerade in einer Zeit wie dieser, in der alles von Unsicherheit geprägt ist, müssen wir versuchen, das Beste aus uns und unserer Arbeit herauszuholen – und das mit voller Energie und Leidenschaft.
Red.: Wie leben Sie Nachhaltigkeit in Ihrer täglichen Arbeit? Und wie hat sich das im Laufe der Jahre verändert?
Damien Michel: Sicherheit und Wohlergehen bestimmen meinen Arbeitsalltag, denn darauf achte ich für mich, aber noch mehr für mein Team. Wir sind ein Familienunternehmen von gerade einmal 10 Personen. Ich verbringe die meiste Zeit im Keller mit drei meiner Kollegen. Ein Keller ist ein rutschiger Ort, mit riesigen Tanks, Rohren und eigentlich gehören auch jede Menge Leitern dazu. Nicht bei uns. Ich habe sie alle entfernen lassen. Eine Leiter ist zwar der einfachste Weg oben an den Tank zu kommen, aber es ist nicht der sicherste. Das ist ein großer Unterschied zu dem, was wir vorher gemacht haben. Ich führe Sicherheitsbesuche mit dem Qualitätschef und anderen Kollegen durch, um Sicherheitsfragen zu überprüfen und zu schauen, wie wir sie nachhaltig verbessern können. Bei Nachhaltigkeit geht es nicht immer nur um “große” Aktionen. Natürlich haben wir auch diese vorgenommen, aber es geht auch um kleine Veränderungen, die einen Beitrag leisten können. Zum Beispiel haben wir das Gewicht unserer Flaschen um 100g reduziert. Diese kleine Änderung hat das Gewicht unsere Weinkartons verändert und damit auch unseren CO2-Fußabdruck: Die Reduktion ist vergleichbar mit dem CO2-Fußabdruck eines Autos, das 500 000 km pro Jahr zurücklegt. Die Änderung ist klein, die Auswirkung groß. Und darum geht es: Wir schauen, welche Maßnahmen können wir setzen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Verbesserungen müssen messbar und langanhaltend sein. Es geht nicht einfach darum zu sagen: “Wir wollen unseren Wasserverbrauch reduzieren”. Uns ist es wichtig, ein objektives, quantitatives Ergebnis zu erzielen, mit einem messbaren Erfolg.
Red.: Was bedeutet nachhaltiger Weinbau?
Damien Michel: Die Bedeutung der Nachhaltigkeit besteht darin, alle drei Ebenen zu berücksichtigen: die soziale, die ökologische und die wirtschaftliche. Im Weinbau geht es vor allem darum, seine Umwelt gut zu kennen. So kann man Entscheidungen treffen, die der Natur und den Menschen, die im Weinberg arbeiten, helfen und nicht schaden. Der Besitzer der Domaine Montlobre hat zum Beispiel einen botanischen Garten angelegt, um dem Team alle Pflanzenarten des Anwesens und der Umgebung näher zu bringen. So erfahren wir mehr über die Natur und, wie ihre Pflanzen und Tiere in den Weingärten interagieren. Im Jahr 2018 haben wir unseren Stakeholder-Ausschuss gegründet: Er versammelt alle unsere Partner, Lieferanten und Kunden. In diesem Jahr haben wir daraus einen kleineren Ausschuss mit den einflussreichsten Stakeholdern formiert: Darunter sind öffentliche Institutionen, Importeure wie Gottardi, Lieferanten von Weinbaumaterial, etc. Lisa Gottardi ist die Vertreterin der Weinclub-Importeure und hat zusammen mit allen anderen Stakeholdern an einer Umfrage teilgenommen, die uns dabei geholfen hat, die Themen besser zu verstehen, die für die Menschen um uns herum in Bezug auf Kunden, Mitarbeiter, Unternehmensführung und Umwelt im Sinne der Nachhaltigkeit relevant sind. Wir haben für jede Kategorie eine Top3-Liste erstellt und uns dem Ausschuss gegenüber verpflichtet, für die Umsetzung dieser Themen einen genauen Aktionsplan vorzulegen, um ihre Erwartungen zu erfüllen. Ein zentraler Punkt ist dabei, die biologische Vielfalt zu schützen und eine pflanzenschutzrechtliche Strategie gemäß unseren hohen Umweltstandards umzusetzen. Auswirkungen sollen gemessen und überwacht werden.
Red.: Welche neuen Ideen schaffen Sie für eine nachhaltige Welt?
Damien Michel: Wir arbeiten vor allem viel an unserer Verpackung. Die Idee ist: Sie lieben den Wein, aber lieben Sie auch die Flasche, in der er sich befindet? Nachhaltigkeit ist ein globaler Ansatz. Es geht nicht nur um den Wein selbst, sondern um alles, was ihn umgibt. Sie haben wahrscheinlich bemerkt, dass sich die meisten unserer Labels in den letzten Jahren verändert haben. Vor zu haben wir die Vergoldungen entfernt – eine wirklich schreckliche Verschwendung edlen Materials – und die Etiketten auf recyceltem Papier gedruckt. Natürlich läuft nicht immer alles glatt und man muss wieder umdenken und etwas Neues versuchen. Aber das ist das Schöne, wenn man sich als Unternehmen der sozialen Verantwortung verpflichtet: Wir müssen uns immer verbessern und dafür probieren wir verschiedene Dinge aus. Zum Beispiel haben wir versucht, die Vergoldungen durch metallisch glänzende Pantone-Farbe zu ersetzen. Aber diese ist vor allem auf den schwarzen Etiketten kaum sichtbar und nur schlecht zu lesen. So arbeiten wir also weiter an diesem Projekt, sehen uns mit unserem Drucker und Papierlieferanten neue Techniken an und versuchen gemeinsam, die nachhaltigste Möglichkeit zu finden.
Neben den umweltschonenderen Verpackungen wollen wir auch der Natur etwas zurückgeben. Zum Beispiel haben wir vor kurzem 500 Bäume gepflanzt und ein eigenes Umweltmanagementprogramm erarbeitet, um jedem Flurstück auf dem Anwesen eine Rolle zuzuweisen. Denn bei uns gibt es nicht nur Weingärten. Wir haben Getreidefelder, Wiesen, Wälder und Flüsse. Wir versuchen herauszufinden, wie diese einzelnen Komponenten am besten zueinander passen und im besten Fall miteinander interagieren. Eine Idee ist es auch, mehr Tiere auf das Anwesen zu bringen. Abgesehen davon, dass es super viel Spaß machen würde, Schweine, Esel oder Schafe herumlaufen zu sehen, könnte man damit die Reben natürlich düngen und zugleich wären die Parzellen perfekt gemäht.
Red.: Welche Rolle wird Nachhaltigkeit für die Zukunft spielen? Und gibt es noch Dinge, die Sie für einen nachhaltigen Weinbau in Domaine Montlobre umsetzen werden?
Damien Michel: Wir möchten, dass unsere Weine ebenso viele unvergessliche Momente des Genusses und Teilens bereiten, wie sie Gelegenheiten bieten, aktiv zu den sozialen und ökologischen Herausforderungen von heute und morgen beizutragen. Mögen unsere Mitarbeiter, unsere Nachbarn und “Weinliebhaber” stolze Zeugen und Profiteure unseres Handelns und Engagements sein. Heute besteht die nachhaltige Mission unserer Weine darin, aus einem Preis-Qualitäts-Verhältnis ein Preis-QualitätEN-Verhältnis zu machen. Lassen Sie mich kurz erklären, woran wir gerade arbeiten:
- Über allem steht natürlich die GENUSS-Qualität: Zusammen mit meinen Winzerpartnern und Beratern arbeite ich Jahrgang für Jahrgang daran, die Qualität der Weine durch neue Techniken und einen optimierten Einsatz von Sulfit, Trockeneis und Hefe zu verbessern.
- Dann gibt es die SOZIALE Qualität: Wohlergehen und Inklusion machen einen großen Teil unserer Qualität aus. 70 % unserer Mitarbeiter glauben, dass Nachhaltigkeit ihrer Arbeit mehr Sinn gibt und sie damit etwas beitragen können, das über die Möglichkeiten des Unternehmens hinausgeht. 80 % wissen die soziale Fürsorge zu schätzen und 100 % unserer Mitarbeiter erhalten einen Bonus, der an unsere Nachhaltigkeits-Indikatoren gekoppelt ist.
- UMWELT-Qualität: Im Weinbau geht es darum, mit der Natur Hand in Hand zu arbeiten. Wir müssen einen positiven Einfluss hinterlassen und die Natur darf keinen Schaden nehmen. Weiters versuchen wir die biologische Vielfalt, Flora und Fauna betreffend, zu verbessern und unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren.
- OPTISCHE Qualität: Uns geht es um ein ökologisch gutes und optisch schönes Design unserer Verpackungen. Sie sollen unsere Gesinnung und die landschaftliche Schönheit widerspiegeln und zugleich unseren Weinliebhabern ein schönes Erlebnis bieten.
Ich habe das Glück, für die Domaine Montlobre zu arbeiten. Hier probieren wir Dinge aus und scheuen uns nicht davor, schwierige Themen anzugehen, Dinge aufzurütteln und den Kodex zu brechen: Wir sind genau dort, wo Tradition auf Nachhaltigkeit trifft!
Und das schmeckt man auch in Ihren Weine. Vielen herzlichen Dank, Damien Michel, für Ihre Zeit! ?
Redaktion & Übersetzung: Verena Noggler